Sprichwörter kommen und gehen, aber eines hatte sich Edgar seit
seiner Kindheit fest eingeprägt. Wie oft hatte seine Großmutter
gesagt: "Mensch Kerl! Lass dir doch nicht die Butter vom Brot nehmen."
Oder auch später die Worte: "Alles in Butter!"
Wie lang war es her, dass er diese Worte seiner Großmutter hörte.
Es war Ferienzeit. Edgar hatte Besuch von seinen Enkeln, die er sehr
liebte. Besonders in der kleinen Klara sah er Ähnlichkeiten zu
seiner eigenen Großmutter. Aber auch die beiden Großen Antje
und Paul machte ihm viel Freude.
Was ihm aber immer wieder missfiel, waren die vielen Stunden, die die
Kinder am PC verbrachten.
"Es ist Sommer und ihr seid immer noch nicht an der Badestelle,
um euch zu erfrischen!" mahnte Edgar erneut.
Unweit seines Hauses verlief die Unstrut, die klar wir ein Gebirgsbach
war. Als Kind war Edgar hier regelmäßig schwimmen gegangen,
oder hatte stundenlang geangelt. Besonders die Forellen hatten es ihm
angetan, denn die schmeckten ihm am besten. Außerdem gab es stets
ein dickes Lob vom Vater, der flugs die Pfanne in Stellung brachte,
denn frische Forelle war sein Leibgericht.
Aber viel öfter verbrachte Edgar seine Ferien bei der Großmutter
in Kleinrödersdorf.
Einmal wegen der grenzenlosen Freiheit, die er bei der Großmutter
genoss. Auch hier fließt die Unstrut nahe dem Dorf. Also gab es
nichts zu vermissen. Außerdem wohnten hier seine gleichaltrigen
Cousins, die wie er stundenlang in der Natur herumtollten und die Ferien
verbrachten.
Da war auch der Dreschplatz, wo das Getreide ausgedroschen wurde.
Ein großer Lanz Bulldog trieb über ein Kurbelrad die
Dreschmaschine über einen langen
Lederriemen an, was nicht ungefährlich war. Opa Karl war
in die Schlaufe gelaufen und an diesen Verletzungen gestorben.
Also hieß es aufpasse, immer Abstand halten und aus sicherer
Distanz beobachten und das Abenteuer erleben. Besonders interessant
war das Anwerfen des Bulldogs!
Mit einer Kurbel wurde seitlich das Schwungrad so lange gedreht,
bis die Maschine lief.
Geschicklichkeit war gefragt.
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Onkel Peter drückte aber ein Auge zu und ließ die Jungen
auch schon mal zugreifen.
Fing der Bulldog an zu laufen, musste die Kurbel schnell aus der Nabe
entfernt werden.
Nun ging es voran. Alles war in Butter. Das Lederband wurde aktiviert
und die Dreschmaschine lief und ratterte, dass es quietschte und dampfte.
Nun konnte das Dreschen der Frucht weiter gehen.
Die Ferientage sind heute noch tief in Edgars Erinnerung
festgeschrieben.
Am Abend gab es dann ein leckeres Essen mit frischer geräucherter
Wurst, frischem Brot oder Brötchen und guter sahniger Butter aus
dem Fass, die die Großmutter meist selbst gefertigt hatte. Mit
einer Zentrifuge wurde die Milch bearbeit, nach geheimen Rezepten gewürzt
und in handliche Stücke geschnitten. Edgar genoss dies in vollen
Zügen!
Dazu gab es Gurke grün oder bereits gesäuert oder reife Tomaten
direkt vom Busch aus dem Garten. Oma Maria rief laut über das Grundstück:
"Vergesst die Tomaten nicht abzunehmen!"
Besonders gern aß Edgar ein frisches Brötchen aus dem Ofen
dick mit Butter bestrichen.
In den Ferienspielen durfte er mit in die Schule gehen, aber die servierten
Brötchen waren abgezählt für die einheimischen Kinder.
Edgar war Gast und hatte sich schon damit abgefunden, auf den Genuss
zu verzichten. Die Erzieherin mochte aber Edgar, und so gab sie ihm
ihr Brötchen ab. Wie sinnbildlich groß war der Genuss, den
sie Edgar damit verschaffte!
"Das wäre ja ein Ding, wenn wir uns die Butter vom Brot nehmen
lassen", lächelte die Erzieherin, die auch bald ihr Kind gebären
würde. Sollte es ein Junge werden, würde er Edgar heißen.
Wie schön und einfach waren diese
Jahre!
Nun war Edgar dreifacher Großvater, und seine Enkel verhielten
sich gar nicht so recht nach seinen Vorstellungen. Er schaute nach seiner
alten Angelausrüstung, die im Schuppen verstaubt war. Unlängst
hatte er gehört, dass wieder Forellen in der Unstrut lebten.
Mit viel Geschick und Redekunst überzeugte er die Kinder am nächsten
Tag angeln zu gehen.
Besonders Paul war gleich einverstanden.
Klara schaute verträumt. Sie war wohl noch zu klein, das alles
zu verstehen. Aber auch Antje konnte sich schließlich begeistern.
Jeder bekam eine eigene Angel und los ging es.
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Nach neuesten Erkenntnissen ging Edgar vor!
Er hatte in einer Fachzeitschrift gelesen, dass besonders Raubfische
durch Wobbler förmlich angezogen würden. Diese Kunstköder,
die echten Fischen sehr ähnlich wirkten, waren die neueste
Errungenschaft auf dem Markt. Natürlich ging Edgar sofort
zu seiner Lieblinsangelstelle!
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Und los ging das Abenteuer. Paul war am Geschicktesten. Schnell hatte
er seine Angel nebst Köder aktiviert. Antje bastelte noch herum
und Klara hatte die ganze Angel ins Wasser geworfen. Alle mussten lachen!
Aber Edgar nahm ihr das nicht krumm. Er holte die kleinen Angel aus
dem Wasser, nahm Klare auf den Schoß, und erklärte ihr alles.
Klare nahm es gelassen, entdeckte schließlich einen Käfer,
der ihr ganzes Interesse auf sich zog, und beschäftigte sich.
"Wann beißt denn ein Fisch?" fragte Paul ungeduldig.
Edgar träume vor sich hin: "Ja Geduld muss man schon
mitbringen!"
Noch nicht eine Stunde war vergangen, als sich Pauls Köder bewegte.
Edgar war gespannt, denn alles kam ihm plötzlich sehr bekannt vor.
"Wenn das kein Hecht ist, freß ich einen Besen!"
"Ha ha", lachte Klara. "Besen kann man doch nicht essen!"
Edgar brummelte in sich hinein.
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Und schon ging es los. Das Wasser kochte und brodelte.
"Schön langsam ziehen, wieder los lassen und wieder
ziehen!" beruhigte Edgar seinen Enkel Paul.
"Lass dir nur nicht die Butter vom Brot nehmen,"
beriet Edgar weiter und machte den Kescher bereit.
"Den Hecht holen
wir uns!"
Edgar fieberte wie in alten Tagen.
Nach einer viertel Stunde lag der Hecht im Kescher.
Ganze 70 cm lang war der Fisch.
"Da hast du ja einen kapitalen Fang gemacht", lobte
Edgar Paul.
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"Komm - wir machen gleich ein Foto für das Familienalbum."
In der Zwischenzeit hatte Antje immerhin einen 30 cm langen Barsch
gefangen, der aber wieder frei gelassen wurde, weil Klara weinte.
"Der kleine Fisch muss weiter leben", jammerte sie heftig.
Auch Antje hatte diese Meinung, und so bekam der Barsch seine
Freiheit zurück.
Der Hecht wurde aber sofort von Edgar ausgenommen und filetiert.
Die Filetstücke kamen in den Rucksack, der Rest ins Wasser.
"Da freuen sich die anderen Fische über die fette Beute!"
erklärte er den Kindern.
"Auch habe ich neulich einen Fischotter gesehen, der sich
hier angesiedelt hat und seine Jungen aufzieht."
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Eigentlich war es Zeit, nach Hause zu gehen, denn die
Sonne stand schon tief. Auch quängelte Klara, weil sie müde
war!
Paul hatte seine Angel wieder bereit gemacht und beobachtete den Köder,
wie er lustig im Wasser dahin trudelte. Plötzlich tauchte ein Schatten
auf.
"Das gibt es doch nicht!" rief Edgar erstaunt aus. "Der
Junge hat ja richtiges Anglerglück.
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Paul hatte eine 45 cm lange Forelle am Haken.
Geschickt brachte er seinen Fang mit Unterstützung von Opa
Edgar und dessen Kescher an Land.
"Das wird ja ein Festessen heute Abend!" rief Edgar
laut.
"Hecht und Forelle gebraten mit saftigen Kartoffelsalat von
Oma Marion.
"Oder mit einem frischen Butterbrötchen!"
grinste Antje in sich hinein.
Den Kindern hatte der Tag am Fluss sehr gefallen. Nun wurde das
Abenteuer wiederholt.
Schließlich lagen 10 Forellen im Kühlfach.
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"Wenn euch euere Eltern abholen, gibt es Fisch!" lachte Edgar
in sich hinein.
"Gebratene Forelle mit Omas saftigen Kartoffelsalat oder einem
frischen Brötchen dick mit guter sahniger Butter bestrichen!"
© Jacques Lupus
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