... in Dankbarkeit an meinen Grundschullehrer Manfred Bindel !
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Mit sieben Jahren
wurde ich 1954 in der Grundschule Wundersleben zusammen mit weiteren Die Jahre mit Rechnen, Malen, Lesen, Schönschreiben
und Heimatkunde in den unteren vier Klassen |
Selbst in heutiger Zeit mit vielen Arbeitslosen zahlt sich oft gerade diese gute und bodenständige Schulbildung aus.
Aufgrund von Schulreformen, die fast jährlich stattfanden, veränderte
sich aber zusehends sehr viel. Nun gingen die siebten und achten Klassen
schon in die Polytechnische Oberschule im Nachbardorf Straußfurt. Hier
konnte auch schon die Mittlere Reife abgeschlossen werden,
Grundlage für Berufe wie Handelskaufmann oder Berufe des Bankwesens.
Nach wie vor lief aber alles noch typisch dörflich vor sich hin. Die Mittlere
Reife war schon eher eine Ausnahme!
Mein Großvater bewirtschaftete damals eine kleine Landwirtschaft von
etwa 15 ha. Von Arbeitsproduktivität war weit und breit nicht zu erkennen!
Teilweise noch nach dem Prinzip
der Dreifelderwirtschaft produzierend, blieb für die sieben Seelen am Hof
kein nenneswerter
Wohlstand übrig. Es reichte für Speis und Trank. Und das Bett stand
im alten, aber trockenen
Bauernhaus.
Der Hof verfiel zusehends, da einfach keine ausreichenden Mittel zur Erhaltung
übrig waren.
Gearbeitet wurde mit primitiven Werkzeuge. Gott sei Dank hatte der Hof wenigstens
drei Pferde, die den Grasmäher, den Getreidebinder
oder den Heuwender ziehen konnten, was
einigermaßen die Arbeiten erleichterte.
Im Herbst wurden die Zuckerübenernte verkauft, deren Erlös einen kleinen
Wohlstand
versprach. Das Weihnachtsfest stand vor der Tür, und besonders wir Kinder
gingen mit großen
Erwartungen in diese Zeit. Nicht immer war genug Geld im Hause, um unter dem
Weihnachtsbaum auch das Geschenk zu finden,
das ein fröhliches Gesicht im Kind geweckt hätte. Oft gingen notwendige
Dinge, wie neues Schuhwerk oder Kleidung vor!
Außerdem mußten die Handwerkerrechnungen bezahlt werden, die Grunderhaltung
des Hofes kostete das letzte Geld.
Und doch war die Zeit schön! Die Mägen waren voll, die Zimmer waren
gut geheizt und die Betten stets frisch bezogen, oft mit dem gemütlichen
Wärmstein ausgestattet, der die ersten
Minuten des achtstündigen Schlafes angenehm gestaltete.
" Wenn du einmal groß bist, kaufe ich die einen Traktor. Du machst
den Führerschein, und so
können wir wirtschaftlicher arbeiten," lockte mich der Vater, der
oft mit auf dem Hof arbeitete.
Er hatte schon die Landwirtschaftsschule in Weißensee besucht. Obwohl
er nicht der Typ war
zuzuhören und Neues zu begreifen, hatte er doch im Gefühl, daß
die Art der Wirtschaftsführung einen Wandel erlebte.
Im Dorf hatte sich auf Initiative der damaligen Regierung eine sogenannte Maschinen
und Traktorenstation, kurz MTS, gebildet.
Die Bauern konnte hier gegen Entgelt Maschinen bestellen inklusive Maschinisten,
und somit besser und vor allem leichter, arbeiten.
Für meinen Vater und auch für mich stand fest: Ich würde einmal
Traktorist!
Selbst später, als ich durch recht passable Noten im Unterricht auffiel,
und mein damaliger Klassenleiter mit viel Geduld meine Eltern darauf hinwies,
daß ich das Zeug für eine bessere
Schulausbildung mit anschließendem Studium habe, änderte sich für
meinen Vater auch nichts.
Sein Sohn Günter würde einmal als Traktorist auf der Wirtschaft arbeiten!
So vergingen die Jahre; ohne weiteren Ehrgeiz erzogen, trottete ich täglich
in die Schule,
hörte recht und schlecht dem Lehrer zu und freute mich täglich auf
die Freizeit, ehe es
überhaupt soweit war.
Zu Hause warteten die neu geborenen Katzen auf mich, mit denen ich stundenlang
spielen konnte.
Die Kaninchen mußten gefüttert werden, und auch die täglichen
Pflichten, wie Rüben
verziehen, Stroh häckseln, Kartoffel dämpfen und dergleichen mehr
mußten erledigt werden.
Oft ging es schon in meinen Kinderjahren mit auf den Acker zur Hilfe. Vieles
war reine Handarbeit, und Kinderhände können geschickt und flink arbeiten.
Da waren selbst 14 Hände zu wenig. Besonders in den Sommermonaten ging
es oft bis spät in die Nacht hinein.
Für die Schule war da keine Zeit. Hier lernte ich nur während der
direkten Schulstunden, da für Hausaufgaben einfach keine Zeit blieb.
Da ich nicht der einzige war, dem es so erging, wiederholte der Lehrer oft mit
unerläßlicher Geduld den Stoff, bis wir einigermaßen verstanden
hatten.
Er wurde auch schon mal ungeduldig, weil der Trichter über unseren Köpfen
sich einfach nicht leeren wolllte. Dann ging es rauh zur Sache,
und unser Lehrer verlor so langsam die Geduld.
Neben Fächern, wie Geschichte, wo wir das Leben der Jäger und Sammler
und mehr Interessantes kennen lernten, oder Mathematik,
wo ich mir mein Taschengeld für das nächste Jahrzehnt ausrechnete,
gab es aber auch für mich uninteressante Fächer,
wie zum Beispiel Erdkunde bzw. Geographie.
Reine Lernfächer mochte ich nicht! Was interessierten mich Deutschlands
Flüsse und Mittelgebirge. Wen interessierte es,
wo die Stadt Passau lag! Mich auf keinen Fall.
Ich kannte meine Heimat: Die Unstrut, die Gramme, wo man gut den Barsch, Aal
oder den
Karpfen angeln konnte; die Flachsröste, wo wir gut eine Schilfhütte
bauen konnten, oder
wichtige Indianerrituale aus interessanten Büchern, wie der Letzte Mohikaner
oder Wildtöter
nachspielen konnten. Oder die großen Flächen links und rechts der
Unstrut, die stets rechtzeitig überflutet wurden
und im Winter wunderschöne Eisflächen zum Schlittschuhlaufen
bildeten. All das war interessant und stellt noch heute ein wohliges Gefühl
in mir her!
Aber die Schule war wichtig, dafür sorgte schon meine Mutter. In vielen
Abendkursen hatte sie mit anderen Müttern zusammen Nachhilfestunden genommen,
und das hatte Folgen für mich
und meinesgleichen: Nun mußten die Hausaufgaben gemacht werden und wurden
stets und immer kontrolliert. Schnell hatte ich eine Kopfnuß,
wenn meine Gedanken abschweiften zu anderen wichtigen Dingen meines Lebens.
Mir blieb nicht anders übrig: Ich mußte lernen, um Schelte und Ohrfeigen
zu entkommen!
Es lief recht gut, wenn da nicht das Fach Geographie wäre. Auch ist bis
heute, und das gebe ich hiermit ehrlich zu, mein Scharfsinn recht träge
ausgebildet.
Mein Motto ist:
Die Wiederholung ist die Mutter der Weisheit!
Lernen. lernen und nochmals lernen, war auch neuerdings das Motto meiner Mutter.
Eine gewisse Schwerfälligkeit liegt wohl der ganzen Familie heim, denn
meine Frau hat meist die besseren Ideen.
" Herr Bindel hat in der letzten Elternsprechstunde angemahnt, daß
du dein Interesse für
Erdkunde endlich verbessern solltest! " höre ich von meiner Mutter:
" Sonst wirst du nie ein guter Schüler."
Der Streß nimmt zu!
Die nächste Geopraphiestunde kommt. Der Stoff behandelt gerade deutsche
Städte.
" Wie heißt die Dreiflüssestadt im Süden
Deutschlands, Günter Wolf?" kommt die Frage im
Unterricht. Der Lehrer steht neben mir und versucht geschickt zu helfen.
Seine rechte Hand zwirbelt mein linkes Ohr, daß es rot anläuft, und
er sagt:
" Die Stadt heißt Pass ... ."
" ...Au ! " schreit die ganze
Klasse wie im Chor. " Daran kannst du dich noch erinnern!"
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