Auf den Standpunkt kommt es an Zufällige Übereinstimmungen mit dem wahren Leben wären rein zufällig! Ein Jamais-Vu-Erlebnis. |
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© Jacques Lupus
" Es kommt immer auf den Standpunkt an!" erklärte mir meine
alte Schulfreundin Erika,
und wir verabschiedeten uns für die nächsten sechs Wochen.
"Dann bis zum 08. Juli an gleicher Stelle," erinnerte ich noch einmal
und ging zum Parkplatz
gleich hinter dem Restaurant unserer gemeinsamen Schulkameradin.
Vor mir lag ein Urlaub in Sri Lanka, auf den ich mich sehr freute.
Die Vorfreude bestätigte sich und gut erholt und mit den typischen Eindrücken
des Asienaufenthaltes in der ehemaligen Kolonie Ceylon kam ich gesund und gut
erholt
zurück nach Europa, mit der Erkenntnis, dass es uns allen sehr gut geht
und unsere Probleme, wenn es wirklich solche sein sollten,
weit entfernt von denen liegen, die die Menschen in Sri Lanka haben.
Trotz weit aus geringerem Lebensstandart sind dies Menschen zufriedener und
vor allem glücklicher als wir Mitteleuropäer.
Mit einem Sack voll Erinnerungen und all den vielen Bildern machte ich mich
auf zu dem
Treffen in den Bürgerhof, um meine beiden Schulfreundinnen zu treffen.
Helga begrüßte mich mit den Worten: "Was führt dich denn
zu uns? Willst wohl wieder einmal gut essen, obwohl du eigentlich fasten solltest!"
"Haben wir heute nicht unser kleines Treffen, was wir zusammen vor
sechs Wochen vereinbarten?"
fragte ich kurz, trank ein kleines Bier und verabschiedete mich.
Erika hatte das Treffen auch vergessen.
Etwas verärgert lies ich die Urlaubsbilder in der Tasche und ging in
die Stadt bummeln, da ich mir ja Zeit genug eingeräumt hatte.
Hier und da tauschte ich ein paar Worte mit alten Bekannten, besuchte den Eismann
aus Italien und kaufte ein wenig ein,
um meine Frau am Abend zu verwöhnen.
Im Einkaufzentrum nahm ich Erika war, die mich schon entdeckt haben musste,
denn sie versuchte mir sichtlich auffällig auszuweichen.
Dafür war es aber zu spät und so begrüßte sie mich freundlich
und wir tauschten die üblichen Floskeln aus.
Wie geht es dir? Hast du noch Arbeit? Was macht die Familie ...
Was soll man sich auch immer erzählen? Ein freundliches Lächeln
verbunden mit einem Gruß würde es auch tun.
"Hatten wir nicht ein Date?" fragte ich vorsichtig.
"Wir können ja noch einen Kaffee zusammen trinken," versuchte
ich die Situation aufzulockern.
"Dafür habe ich jetzt keine Zeit!" bekam ich zur Antwort, und wir verabschiedeten uns endgültig.
"Das war kein guter Tag!" dachte ich mir und freute mich auf den
Abend und meine Frau Marion, die bald Arbeitsschluss hatte.
In der Einkaufstasche hatte ich ein Flasche Rotwein und ein paar Naschereien
stecken. Die würden uns den Abend schöner machen.
Zu Hause angekommen, fragte ich die Emails ab. Angebote für einen
Arbeitsauftrag konnte ich ausdrucken und erste Maßnahmen einleiten.
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Zusammen hatten wir in den sechziger Jahren unser Abitur abgelegt. "Das feiern wir zusammen!" |
Zu Hause hatte ich mich bis Mitternacht abgemeldet.
Als ich das erste Mal auf die Uhr schaute war es aber schon 2.35 Uhr in der
früh.
Meine Frau schmollte mit mir und Verenas Mann redete viel und lang, bis meine
Liebste wieder ein Lächeln von sich gab.
Der Abend unseres Wiedersehens hatte in uns das Verlangen nach einem jährlichen
Treffens ausgelöst, was wir auch eifrig umsetzten.
Die Idee kam diesmal aus dem Lager derer, die ein Jahr jünger als die Fünfziger
waren, bedingt durch den Geburtsjahrgang. Also legten wir den nächsten
Termin gleich fest. Ende Juni des folgenden Jahres würden wir uns wieder
sehen.
Wir waren unbekümmert, wie in unserer Jugendzeit.
Vielleicht lag es daran, dass wir ohne unsere Ehepartner feierten und dabei
alte Gefühle und Zuneigungen wieder aufbrachen.
Freunde waren wir und wollten dies auch bleiben.
Im Vorfeld des nächsten Treffens gab es die ersten Turbulenzen!
Achim war zufällig gerade in Bonn, als unsere gemeinsame Freundin und Achims
Jugendliebe Ella fünfzig wurde und ging mit ihr groß aus.
Ellas Mann, der gerade im Krankenhaus lag, starb blad vor Eifersucht. Erste
Mauern bauten sich auf, Turbulenzen zwischen Menschen, die sich lieben, hassen,
umarmen, wegstoßen, helfen oder ignorieren. Die Psychologie in ihren Gesetzen
mischte kräftig mit. Missverständnisse taten ihr übriges.
Das Treffen fand aber doch seinen Höhepunkt. Des Nachbars Katze fraß
Erichs Vogel auf.
Unser Gastgeber Erich fordert Rache. Die Katze musste sterben!
Unsere Gastgeberin legte sich schlafen.
Wir verabschiedeten uns und ich wusste nicht so recht, ob ich das alles lächerlich
oder traurig finden sollte. Insgesamt hatte auch ich mir große Mühe
gegeben. Geschichten aus unserer Jugendzeit hatte ich selbst vorgetragen oder
von anderen gehört. Schön war Gerlindes Geschichte über ihren
Orchestereinsatz der Schulzeit, als ihr der Bassspieler warum auch immer seinen
Mageninhalt übergoss, warm, eklig und unangenehm.
Es ekelte mich richtig und aller Appetit war verflogen! Die Geschichte mit der
Katze und dem Vogel heiterte mich jedoch auf. Ich musste schmunzeln, als mir
die Erinnerung kam.
Wir hatten uns nicht mehr viel zu erzählen. Alle Geschichten waren
verbrannt.
Auch war eine Unsicherheit besonders bei den Frauen zu beobachten.
Deren Männer hatten wohl nun doch genug von unseren Treffen und protestierten.
Die Lösung war einfach genug!
Beim nächsten Treffen wurde mit Ehepartner eingeladen. Auch erinnerte ich
mich,
dass es in unserer Jugendzeit einen Freund aus dem Nachbardorf gab. Auch er
hatte mit uns zusammen die Reifeprüfung abgelegt.
Da ich dieses Mal der Gastgeber war, lud ich ihn ein.
Seine unbekümmerte Art heiterte uns insgesamt auf und der gemeinsame Abend
endete erst in der Nacht, als der Tag schon wieder anbrach.
Eigentlich wollte ich meine Gäste noch zum Festzelt führen, wo gerade
unser Dorffest mit einer guten Blaskapelle aus Tschechien lief.
"Du sprengst die Gruppe!" warf mir Bernd aus Schönstädt
vor, und wir blieben entgegen meinen Plänen beim Rotwein auf der Terrasse
sitzen.
Wir gern hätte ich wieder einmal mit meinen Schulfreundinnen getanzt, aber
der Gast Bernd war mir natürlich auch wichtig.
Ich hatte schließlich vom vielen Wein Schlagseite und brachte meine Freunde
zu Bett.
Bernd hatte mir noch wichtiges zu sagen: "Der ganze Abend war ein reiner
Reinfall!
Wenn ich gewusst hätte, wie fad das läuft, wäre ich wohl besser
zu hause geblieben."
Er sprach es und ich war wieder nüchtern.
"Derartige Gäste können mir gestohlen bleiben," dachte ich
mir und vergaß so schnell als möglich den Vorfall.
"Das wird ja demnächst lustig werde!"
"Nun - es sind nun einmal deine Freunde und Freunden muss man auch
verzeihen können."
Meine Frau tröstete mich, aber insgesamt flachte das Geschehen merklich
ab.
So recht wohl fühlen konnte oder wollte ich mich nicht mehr im Kreis meiner
Freunde.
"Lag es an uns, an mir selbst oder an den Ehepartnern der Freunde?"
waren meine Überlegungen. Was hatte sich denn nur verändert,
dass plötzlich die alte Gemütlichkeit entschwand?
Diese Frage stand für mich im Raum und keiner konnte sie mir beantworten.
Der Reigen aber ging weiter!
Wie geht es dir? Was macht die Familie? Hast du noch Arbeit?
Um uns herum setzte die uns bekannten gesellschaftlichen Veränderungen
ein.
Inzwischen war die Arbeitslosigkeit auch in qualifizierten Kreisen angekommen.
Trotz unserer Ausbildung fand sich doch der oder jener auf dem Arbeitsamt wieder.
Der Mensch trieftet ins Abseits, trocknet aus
und verändert sich. Freunde, die eigentlich helfen sollten, wenden sich
ab und zeigen offen, dass sie doch lieber keine Freunde sein mögen.
Einerseits reist man um die Welt für teueres Geld, andererseits soll der
Nachbar für ein Apfel und ein Ei arbeiten und davon leben.
Freunde nicht ausgenommen.
Grundsätze, die so nicht funktionieren können.
Auf den Stanpunkt kommt es an!
Expropriation der Expropriateure hatte es Karl Marx in seinem Kapital genannt.
Die Erkenntnis kam und nahm mir alle Illusionen.
Freunde reden anders miteinander und tauschen neben üblichen Floskeln etwas
mehr aus.
Bitterkeit überkam mich.
Hatte uns die Gesellschaft derart verändert, dass unsere Freundschaft auf
dem Prüfstand steht?
Auch diese Frage wird die Geschichte entscheiden.
Natürlich besuchte ich auch unser letztes Treffen, auf dem diese Mal alle
erschienen.
Auch Bernd, unser Kunstwissenschaftler aus Schönstädt, kam, obwohl
er die letzten Treffen gekniffen hatte.
Beim Begrüßungszeremoniell schauten wir uns nicht an, obwohl ich
den Blick suchte.
Er konnte mir wohl nicht ins Gesicht schauen, oder wollte er nicht?
In einem Restaurant mit hohen Preisen und einer schlechten Bedienung tauschten
wir unsere Floskeln aus.
Das Aufregendste am Abend war der Sieg Griechenlands über Frankreich im
Halbfinale der Europameisterschaft.
Beim Aprètbier im Hotel hörte ich einen Satz, der mir sehr zu denken
gab.
Bernd sagte: "Die Menschen sind mir fremd geworden!"
"Wen hat er nun damit gemeint," frage ich mich und verfolgte das Geschehen.
Beim geselligen Kegelabend kommt Heiterkeit wie in alten Tagen auf.
"Na bitte! Es geht doch noch," denke ich mir.
Nebenbei erfahre ich aber, dass Erika den grünen Star hat.
Wir tauschen aber im Wesentlichen weiter nichts als Floskeln aus und verabschieden
uns schließlich voneinander.
"Vielleicht sehen wir uns wieder einmal in der Kaufhalle!" umarmt
mich Erika freundlich.
"Hoffentlich kommt bis dahin nicht der grüne Star dazwischen!"
denke ich mir, nehme meine Frau an der Hand,
und zusammen fahren wir in unser schönes Heim am Unstrutstrand.
Auf den Standpunkt kommt es an! Da muß
ich Erika schon recht geben ...
Zum Austausch von Floskeln brauche ich keine Freunde!
Aber vielleicht ändert sich das wieder einmal ... Diese Hoffnung trage
ich schon in mir!
Mein Bier trinken und gut essen kann ich auch mit fremden Menschen.
Menschen kommen und gehen ...
Das ist wohl im Leben so.
© Jacques Lupus
Die Stare
Föhnwind fällt ein, und der Schnee taut; er taut in zwei Tagen,
und die Erde wird sichtbar und duftet.
Über den Hof geh ich wie über nasse Säcke:
" FLOW RETNEUG will ich heißen,
wenn nicht heut Nacht die Stare kommen!"
Meine Kinder nehmen mich beim Wort.
Leichtsinnig hatte ich mit meiner Vaterautorität gespielt!
In der Nacht gehe ich mehrmals zum Fenster und lausche hinaus.
Der Himmel ist bewölkt und ich höre nicht den geringsten Laut von
ziehenden Vögeln.
Und auch am Morgen lausche ich noch einmal in das Dunkel!
"Na Vater! Was ist mit den Staren?"
fragt mein Sohn Michael am Frühstückstisch.
Aber da kommt Sascha vom Hof zurück. Er füttert gern die
Katzen: " Da hast du aber Glück gehabt, Vater! Du kannst deinen
Namen behalten, auf Nachbars Fernsehantenne sitzen zwei Stare."
Wir rennen alle ins Freie, und wirklich : Die Stare sitzen pfeifend auf der
Antenne!
Ich schaue dankbar zu ihnen hinauf, weil sie meine Vaterautorität gerettet
haben.
Da fragt Anja:
" Was heißt FLOW RETNEUG, Vater? War das ein Clown?!"
Konnte ich verraten, daß ich es war, wenn man meinen Namen von hinten liest?
Nachwort!
Déjà-vu-Erlebnisse des Menschen treten hin und
wieder auf.
Als Déjà-vu-Erlebnis [de?a'vy] (frz. "schon gesehen";
auch Erinnerungstäuschung oder kurz Déjà-vu), auch als Déjà-entendu-Phänomen
[de?a?~t?~'dy] (frz. "schon gehört") oder Déjà-vécu-Erlebnis
[de?ave'ky] (frz. "schon gelebt") bezeichnet man ein psychologisches
Phänomen,
das sich in dem Gefühl äußert, eine an sich völlig neue
Situation schon einmal exakt so erlebt, gesehen oder geträumt zu haben.
Dabei handelt es sich nicht um eine falsche Wahrnehmung, sondern um ein paradoxes
Gefühlserleben.
Das Erlebnis wird auch als Bekanntheitstäuschung oder Fausse reconnaissance
[fos ??k?n?'s?~s] (frz. "falsches Wiedererkennen") bezeichnet.
Es tritt beim gesunden Menschen vereinzelt spontan, im Zustand der Erschöpfung
oder bei Vergiftungen (vor allem mit Nervengiften wie Alkohol oder halluzinogenen
Drogen) auf.
Als Begleiterscheinung von Neurosen, Psychosen oder organischen Hirnerkrankungen,
vor allem des Temporallappens,
können Déjà-vu-Erlebnisse gehäuft auftreten.
Nach Umfragen hatten 50 bis 90 Prozent aller Menschen mindestens einmal ein
Déjà-vu-Erlebnis, vergessen aber meist nach einer gewissen Zeit,
wo und wann sie das letzte Déjà-vu Erlebnis hatten.
Das Jamais-Vu-Erlebnis
Das Gegenteil des Déjà-vu-Erlebnisses, nämlich
das Gefühl von Fremdheit in einer vertrauten Umgebung,
heißt Jamais-Vu-Erlebnis [?am?'vy] (frz. "nie gesehen") und
kann unter ähnlichen Umständen auftreten.