Das
Wagenrad

© copyright by Jacques Lupus

 

Ein altes Wagenrad, aus Holz gefertigt, mit einem Reif aus Eisen umwandelt, ist im Garten eines Freundes als Symbol einer Freundschaft geschickt in das Panorama des Hausgarten eingepflegt. Es ist ein stummer Zeuge vieler Ereignisse über Jahre hinweg!
Schwere Lasten hat es getragen, tonnenschwer, ratternd auf dem Pflaster der Dorfstraßen und tief eindringend in den Morast der Feldwirtschaft. Zusammen mit drei anderen Rädern, das typische Speichenformat zeigend, gearbeitet von einem geschickten Stellmacher Thüringens, hatte es einen Wagen einer Bauernwirtschaft viele Meilen weit getragen.

Schon lange hatte dieses Rad völlig verstaubt in einer düsteren Ecke eines Schuppens unseres inzwischen
umgestalteten Bauernhofes gestanden. Einst hatten hier Bauersleute in harter täglicher Arbeit Ihren Lebensunterhalt verdient.
Heute leben wir Nachfolgegenerationen hier und pflegen das Familienerbe.
Das Wagenrad war eigentlich der Vernichtung geweiht! Alles ist nicht wertvoll. Das alte Spinnrad steht in einer Hofecke, das Pferdekomet hängt zusammen mit dem Dreschflegel, der Sense und der Vespertasche an der alten Schuppenwand.
Das berühmte Hasenbrot war vom Großvater hier versteckt, und schmeckte völlig vertrocknet uns Kindern besonders gut.
" Soll das mal ein Museum werden?" fragt der älteste Sohn. "Es ist aber auch wahr! Alles kann nicht aufgehoben werden."
entscheidet die Frau.

Unser Chef auf der Arbeit kam aus Augustusburg, und hin und wieder besucht er noch heute als inzwischen verdienter Ruheständler uns Thüringer. In einem guten Arbeitsklima ist zwischen uns eine Freundschaft gewachsen! Wenn er in Thüringen weilt, besucht er natürlich auch unseren alten Bauernhof. Gemütlich sitzen wir zusammen im Garten und genießen dabei ein gutes Bier der Marke -Braugold- . Das tut gut!
" Was machst Du eigentlich mit den alten Wagenrädern?" Und schon stand fest: In Zukunft würde das alte Wagenrad im Garten
meines Freundes zur Zierde und als Symbol unserer Freundschaft stehen.
" Wasch es mir bitte ab, damit ich es im Kofferraum des Autos verstauen kann!" Sogar eine Preis wollte mein Freund dafür genannt haben. Das entfiel aber! Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Ein gutes Sprichwort!

Mit einem Eimer Wasser und einer Bürste ging ich zu Werke. Der Staub war zentimeterdick;
ein gutes Stück Arbeit lag vor mir! Dabei kam die Erinnerung zurück.

Als Sohn einer Bauersfamilie war ich in vierter Generation geboren worden. Der Urgroßvater Fritz hatte vom Erbe der Eltern bereits
im 19. Jahrhundert einen Bauernhof gekauft und hatte zusammen mit meiner Urgroßmutter Ottilie, die ich selbst noch kennen lernen durfte, eine Wirtschaft aufgebaut. Die in Folge geborenen Söhne übernahmen jeweils die Wirtschaft.
Erst der Großvater, dann der Vater.
" Wenn du einmal groß bist kaufe ich dir einen Traktor, und gemeinsam bauen wir eine richtige Wirtschaft auf, modern und rentabel!" Mein Vater hatte immer große Pläne,
große Visionen im Kopf, es fehlte aber stets und immer das Geld, denn die Wirtschaft war eine kleine Wirtschaft von ca. 10 Hektar. Also blieb vorerst einmal der Traum und die tägliche schwere Arbeit, von der selbst wir Kinder nicht verschont blieben.
Kinderhände können geschickt sein. Schnell sind die Rüben verzogen, der Hädrich ist gerupft und die Kartoffeln aufgelesen.
Aber da waren vorwiegend schwere Arbeiten, wie das Aushacken der Frucht mit der Hackmaschine,
oder das Einbringen der Frucht mit dem Binder.
Bereits mit 12 Jahren stand ich an der Seite des Vaters, Spielplatz und Freunde ade´!
Aber wehe ich hatte einer Lerche nachgeschaut, und die Maschine war aus der Reihe geraten;
die Ohrfeigen spüre ich heute noch.
Täglich ging es nach der Schule auf den Acker zur Feldarbeit. Schön waren die sogenannten Vesper.
Die Großmutter servierte heißen Malzkaffe und es gab die berühmte Pfanne mit getrockneten Pflaumen.
Das war wie Ostern und Weihnachten auf einmal!
Besonderen Spaß hatte ich mit den Pferden! Nach getaner Arbeit durfte ich auch schon einmal
mit der Stute ausreiten, sie zur Koppel führen und das Fell striegeln. Das war schon eine Auszeichnung.
Der Umgang mit den Tieren war mir früh vertraut und auch gewohnt. Der Hengst schnappte schon einmal nach der Hand;
hier war Vorsicht geboten! Aber die Stute war lammfromm.
Sie vergingen die Jahreszeiten. Immer regelmäßiger war ich eingebunden in den täglichen
Arbeitsablauf. Ich war der Erbhofbauer und würde einmal das Erbe fortsetzen!
Im Oktober gab es Herbstferien; die berühmten Kartoffelferien! Eigentlich wäre ich schon gern zusammen mit den Freunden
auf dem Sportplatz gewesen; aber die Pflicht rief!
" Heute werden Kartoffeln gelesen." Ein klarer Spruch des Vaters, gegen den es keinen Einwand gab.
Großvater, Großmutter, Mutter und Vater arbeiteten schwer. Ich durfte das Pferd führen;
der Vater verstand es schon mich zu locken und abzulenken. Die Freunde und das Fußballspiel waren schnell vergessen.
Der Wagen füllte sich zusehends. Es hatte leicht geregnet, die Wagenräder drangen unter der schweren Last des Wagen tief in die Mutter Erde ein.
" Hüh, hott! " rief ich, und der Hengst zog kräftiger als die Stute an. Die Führungsleine in der Hand hatte ich nicht bemerkt,
daß sich das linke Vorderrad in Richtung meiner Füße bewegte.
Plötzlich strauchelte ich und kam zu Fall. Aber noch zur rechten Zeit kam das Rad zum Stehen, bereits die Hüfte stark gequetscht. Keine 10 cm weiter hätte das Rad rollen dürfen! Es wär tief in meinen Körper eingedrungen und hätte mein junges Leben zerstört.
Ich war in diesem Momenten mit mir und Gott völlig allein! Die Vorsehung stand auf meiner Seite. Der liebe Gott hatte mir das Leben gerettet.

Ich schloß 1966 die Schule ab, besuchte die Universität in Dresden, gründete 1970 eine Familie und arbeitete langen Jahre in der Elektronikbranche.
Hier lernte ich auch meinen heutigen Freund Manfred kennen.

In seinem Garten in der Bodenseeregion steht das Wagenrad als Symbol unserer Freundschaft.

Es ist auch ein Symbol des Lebens!